Obwohl man mittlerweile davon ausgeht, dass Mädchen und Jungen gleichermaßen von ADHS betroffen sind, werden männliche Betroffene weiterhin häufiger diagnostiziert als Mädchen und Frauen mit ADHS. Das liegt zum einen daran, dass sich die Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei weiblichen Betroffenen anders äußern, und zum anderen an der weit verbreiteten Fehlannahme, dass ADHS vor allem Jungen im Schulalter betrifft.
Da unter anderem fehlende Aufklärung dazu beiträgt, dass ADHS bei Mädchen und Frauen seltener und später erkannt wird als bei männlichen Betroffenen, soll dieser Artikel einen umfangreichen Überblick über die Symptomatik, die Diagnose und die Behandlungsmöglichkeiten von ADHS bei Mädchen und Frauen geben.
Übersicht
- Allgemeines über ADHS
- Typische Symptome einer ADHS bei Mädchen und Frauen
- Diagnose
- Weibliche Hormone und ADHS
- Behandlung
Was ist ADHS?
Die Abkürzung ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Typische Merkmale bei Betroffenen sind Konzentrationsschwäche, erhöhte Impulsivität und die Beeinträchtigung der Selbstregulation sowie körperliche Hyperaktivität. Dabei können die Ausprägungen dieser Merkmale variierend. Anhand dieser Ausprägungen werden verschiedene Typen beschrieben.
Je nach Gewichtung von Konzentrationsstörung und Hyperaktivität ist die Rede von einem vorwiegend unaufmerksamen Erscheinungsbild, einem vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Erscheinungsbild oder einem gemischten Erscheinungsbild.
In unserem Magazinbeitrag über ADHS, die Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten findest Du mehr Informationen, die nicht geschlechtsspezifisch sind.
In der Fachliteratur und im Rahmen von Diagnosen fällt auch die Bezeichnung einer ADS, also einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Auffälligkeiten in Bezug auf Hyperaktivität. Diese ist gleichzusetzen mit dem vorwiegend unaufmerksamen Erscheinungsbild der ADHS.
Der Übersichtlichkeit halber nutzen wir in diesem Artikel die Abkürzung ADHS, die hier für alle drei Typen stehen kann. Jedoch lässt sich festhalten, dass Mädchen besonders häufig ein vorwiegend unaufmerksames Erscheinungsbild der ADHS aufweisen oder sich die Hyperaktivität mehr nach innen als nach außen richtet (dazu später mehr).
Bedingt durch biologische Unterschiede in der Entwicklung und kulturell geprägte unterschiedliche Erwartungen an das Verhalten von Mädchen und Jungen, äußern sich die Symptome einer ADHS bei Mädchen und Frauen anders als bei männlichen Betroffenen.
Aufmerksamkeit
Schwierigkeiten in der Lenkung der Aufmerksamkeit äußern sich bei ADHSlerinnen durch Vergesslichkeit und mangelnde Selbstorganisation. Oftmals werden sie als Tagträumerinnen wahrgenommen. ADHS bei Mädchen führt häufig zu einem langsameren Arbeitstempo, weil die Betroffenen versuchen, ihre Aufgaben trotz Konzentrationsschwierigkeiten zu beenden und Fehler durch wiederholtes Kontrollieren zu vermeiden.
Hyperaktivität und Impulsivität
Hyperaktivität und Impulsivität äußern sich bei vielen Mädchen und Frauen mit ADHS als innere Unruhe und andauerndes Reden. Außerdem kann bei ihnen risikoreicheres Verhalten, zum Beispiel in Bezug auf Sexualität, beobachtet werden.
Weitere Symptome
Mädchen und Frauen mit ADHS neigen zu einem selbstkritischen Umgang mit sich und damit einhergehenden Selbstanschuldigungen. Häufig haben sie ein geschwächtes Selbstbewusstsein. Mädchen und Frauen mit ADHS haben oftmals starke Stimmungsschwankungen, die insbesondere in der Pubertät zunehmen. ADHS führt bei weiblichen Betroffenen häufig zu Traurigkeit, Ängstlichkeit und Mutlosigkeit. Außerdem erleben sie Schmerzen oftmals intensiver als weibliche Personen ohne ADHS.
Doch auch diese Symptome treffen nicht auf jede weibliche Person mit ADHS in gleicher Weise zu. Während der kombinierte Typ beispielsweise bei junge Mädchen häufig dazu führt, dass sie als übereloquent, übersozial, immer beschäftigt und chaotisch wahrgenommen werden, sind Mädchen mit unaufmerksamem Erscheinungsbild der ADHS eher tagträumerisch, lethargisch, passiv und ängstlich.
Wie bei jeder Diagnose einer ADHS ist eines der Hauptkriterien, dass die Symptomatik schon im Kindesalter Bestand.
Obwohl die typische ADHS-Symptomatik bei Mädchen immer besser erforscht wird, fallen junge Mädchen oft nicht genug auf, dass eine Diagnose überhaupt in Erwägung gezogen würde.
Da viele Mädchen im Laufe der Jahre effektive Bewältigungs-, Vermeidungs- und Kompensationsstrategien entwickeln, ist es auch bei älteren weiblichen Betroffenen schwierig, eine ADHS zu erkennen. Diese Strategien führen jedoch nicht dazu, dass die ADHS die Mädchen und Frauen weniger Belastet. Nach außen kann es den Anschein haben, dass sie die Anforderungen des Alltags mit Leichtigkeit meistern, während sie eigentlich einen hohen Energieaufwand betreiben müssen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Bei vielen Mädchen und Frauen mit ADHS wird die Diagnose außerdem dadurch erschwert, dass sich die Symptomatik mit den Symptomen anderer Erkrankungen überschneidet. Oftmals bedingt die unbehandelte ADHS sogar solche Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen oder Angststörungen.
Deshalb ist es wichtig, dass mehr Menschen über die Symptome Bescheid wissen, die ADHS bei Mädchen und Frauen auslösen.
Weibliche Hormone, wie Östrogen, nehmen einen besonderen Einfluss auf die ADHS bei Mädchen und Frauen.
Jegliche hormonelle Veränderungen, die Mädchen und Frauen mit ADHS in ihrem Leben erfahren, können ihre Symptome und auch die Wirkung von ADHS-Medikamenten beeinflussen. Dazu gehören natürliche Schwankungen der Hormonspiegel, wie in der Pubertät, innerhalb des Menstruationszyklus, in den Wechseljahren und in und nach der Schwangerschaft. Aber auch zugeführte Hormone wie zum Beispiel die Anti-Baby-Pille können starke Reaktionen verursachen.
Insbesondere die auftretenden Hormonschwankungen innerhalb des Zyklus erschweren daher den Umgang mit der ADHS für die Betroffenen. Zum einen leiden viele Mädchen und Frauen unter einem stark ausgeprägten prämenstruellen Syndrom, zum anderen stellen einige Frauen sogar fest, dass ihre Medikamente in einigen Phasen des Zyklus weniger oder gar nicht wirken und die Dosierung entsprechend angepasst werden muss.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die durch die Schwankungen erschwerte Diagnose. Wenn eine Frau nur 50% der Zeit stark unter den Symptomen einer ADHS leidet, tendiert sowohl sie als auch ihr Umfeld leichter dazu, die entstehenden Schwierigkeiten als “Phasen” oder “Launen” abzutun. Daher sollten Symptome, die auf eine ADHS hindeuten, auch dann ernstgenommen werden, wenn sie nicht immer gleich stark auftreten.
Die Behandlung einer ADHS zielt in der Regel auf die Behandlung der Symptome ab. Daher gilt es, jeden Fall individuell zu betrachten, und zu erwägen, wie den Schwierigkeiten, die durch die ADHS entstehen, entgegengewirkt werden kann.
Die Diagnose und Aufklärung über die Wirkungsweisen einer ADHS können vielen Betroffenen schon zur ersten Erleichterung verhelfen. Endlich gibt es eine Erklärung für all die Dinge, die manchmal nicht so klappen, wie die Betroffenen es sich gern wünschen oder wie es von ihnen erwartet wird.
Dennoch ist es in den meisten Fällen ratsam, sich darüber hinaus über Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Ansprechpartner hierfür sind Kinder-, Haus- und Fachärzte. Außerdem findet sich online ein breites Spektrum an Informationsangeboten. Auch Selbsthilfegruppen gibt es für Eltern von Kindern mit ADHS und auch für Erwachsene mit ADHS.
Je nach Ausprägung der Symptomatik kann der Arzt eine medikamentöse Behandlung anordnen. Außerdem können verschiedene Ansätze der Psychotherapie und der Ergotherapie hilfreich sein.
Unabhängig von den genannten Behandlungsmethoden profitieren Personen mit ADHS von regelmäßiger Bewegung, ausreichendem und regelmäßigem Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und Achtsamkeitsübungen. Jedoch fällt es ihnen aufgrund der ADHS häufig schwerer, ihr Leben entsprechend zu gestalten. Dabei können Psychotherapie und Ergotherapie wiederum helfen.